Interview-Fragen für die Homepage

27. Juli 2022

Liebe Renate Ullrich, nach 42 Jahren als Lehrerin und Bereichsleiterin für Ernährung und Hauswirtschaft der Helene-Weber-Schule und in der Lehrerfortbildung beim ZSL  verabschiedest Du Dich in die wohlverdiente Pension. 

Cornelia Scham und Renate Ullrich
  • Was hat Dich (einstmals) angetrieben, Lehrerin zu werden?

Ich wollte immer schon Lehrerin werden. Mein damaliger Schulleiter hat mir empfohlen Berufsschullehrerin zu werden, denn mich hat der kreative Bereich immer schon gereizt, Ernährung, Textilarbeit, Werken und Kunst.

Als ich 1980 an der damals noch Haus-und Landwirtschaftlichen Schule als erste Technische Lehrerin meinen Vorbereitungsdienst antrat war ich eine Exotin, niemand kannte diese Dienstbezeichnung, was sich allerdings schnell änderte. 

Viele Jahre waren wir in Bezug auf Hauswirtschaft und Ernährung sehr gut aufgestellt und hatten zur Theorie viele Praxisstunden, in denen der Kontakt zu den Schülerinnen und Schülern sehr intensiv und dadurch auch sehr fruchtbar war. 

Leider werden genau diese Fächer an unserer Schule fast gar nicht mehr unterrichtet.

Dies hat den Grund, dass die Schülerzahlen in diesem Bereich sich so entwickelt haben, dass Klassen weggefallen sind, weshalb der Bereich Ernährung zurückgegangen ist (Anm. der Redaktion).

  • Für welche Themen brennst und branntest Du im Unterricht?

Zum kreativen Unterricht kam die Ernährungslehre. Sowohl in Theorie als auch praktisch. Die Defizite, die bei unseren Schülern immer deutlicher wurden, haben mich oft erschreckt und mir war wichtig, nachhaltig zu wirken, durch handlungsorientiertes Arbeiten Bewusstsein zu schaffen und ein Umdenken anzustoßen, auch im Kollegium. 

Gesundheitstag, Gesunde Schule, Gesundes Frühstück und immer wieder Praxis. 

Durch Projekte wie z.Bsp. Pausenverkauf resultierte die etwas andere Umsetzung des Lehrplans zum  Gastroservice, auch dank Ina Restle. 

Ich konnte Ernährung und Hauswirtschaft in der Altenpflege, bei Kinderpflegerinnen, in Berufs- und Berufsfachschulen und der Dobelmühle umsetzen.

Eigentlich müsste in allen Klassen Ernährung und Gesundheit ein Thema sein.  

Ausserdem wollte ich verstehen, was die Menschen in Bezug auf Ernährung antreibt, warum sie essen was sie essen und habe daher im Fernstudium parallel Ernährungspsychologie studiert. Auch die Fortbildung LETRA und natürlich der Aufstiegslehrgang waren sehr gewinnbringend für mich und meinen Unterricht.

  • Welche (heiteren) Anekdoten fallen Dir zu Deinem Lehrerdasein ein?

Wie erschrecke ich meine Lehrerin? Indem ich ihr eine Tarantel auf das Pult stelle – hat nicht funktioniert, die Mitschüler standen auf den Tischen, Frau Ullrich hat gelacht, es war nur die Hülle einer Tarantel.

Oder, als eine Schülerin mitten im Deutschunterricht fragte:“Frau Ullrich, welches Shampoo nehmen Sie denn?“

Und dann noch die „Namensgebung“ mit vielen Vorschlägen unsererseits, die immer wieder gecancelt wurden und dann der Ausspruch des damaligen Landrates, der uns drohte, wenn keine Einigung zustande käme, würde er uns „Hänschen-Klein-Schule“ nennen.

  • Warum warst Du gerne Lehrerin?


Ich kann sagen, ich habe die Entscheidung, Lehrerin zu werden, nie bereut. Als Lehrerin konnte ich mich an dieser Schule verwirklichen, auch Dank der Schulleitungen und mit und durch mein immer tolles und so wertvolles Kollegium. Ich konnte pädagogisch wirken,  mein Organisationstalent in vielen Bereichen ausleben und als Bereichsleiterin Einfluss nehmen. Unterricht in vielen verschiedenen Klassen, oft auch fachfremd, war immer wieder eine Herausforderung. Schule wurde nie langweilig. 

Und ich schätze immer noch die Kontakte zu vielen Kolleginnen und Kollegen an anderen Schulen, entstanden durch besuchte Fortbildungen und natürlich durch meine Tätigkeit als Beraterin und Fortbildnerin im Bereich Ernährung und Hauswirtschaft.

  • Was waren Deine prägendsten Erlebnisse an der Helene-Weber-Schule?


In meiner Amtszeit als Personalratsvorsitzende musste meine damalige Schule, die Haus-und Landwirtschaftliche Schule, mit der Kaufmännischen Schule fusionieren.  Eine Herausforderung. In der Personalvertretung Doppelspitze. Zwei Welten prallten aufeinander. Durch den Lehrerausflug nach Wolfegg ins Bauernhausmuseum mit interessanten Projekten wie „Hühner malen“, „Traktor fahren“ und „Getreide dreschen“ konnte eine Annäherung gelingen. Und jetzt: Wir sind Helene-Weber-Schule.

Ein weiterer Höhepunkt war der Neubau. Auch hier konnte ich mich in der Planung einbringen, die Praxisräume im Erdgeschoss der Helene-Weber-Schule sind bestens  ausgestattet. 

  • Inwiefern hat Dich das Schulleben persönlich geprägt?

Dank meiner Mama, die in meiner Abwesenheit meine Kinder betreut hat, konnte ich Familie und Beruf sehr gut organisieren.

Ich habe gelernt Stellung zu beziehen, Schule im Wandel zu begreifen und dran zu bleiben. 

Die vielen positiven, oft auch erst später geäußerte Rückmeldungen der Schüler haben mich in meinem Tun bestätigt und angespornt. Diskussionen und Gespräche im Schulalltag waren oft zeitaufwändig und anstrengend, doch es hat sich meist gelohnt und gezeigt, dass Kommunikation so wichtig ist.

  • Wie stellst Du Dir unsere Schule in 10 oder 20 Jahren vor?


Die Generation Z ist eine Herausforderung, vor allem für uns Babyboomer.

Doch auch hier wird es eine Annäherung geben müssen. 

Digitalisierung, das Thema, doch gerade im Bereich Ernährung und Hauswirtschaft arbeiten wir analog auf Dauer erfolgreicher.

Ich hoffe, dass die Fächer Ernährung, Hauswirtschaft und Pflege wieder verstärkt unterrichtet werden, und wünsche dazu natürlich auch viele Schüler, die dafür begeistert werden können. 

Und unumgänglich wäre ein Kultusministerium, das dieses fördert und unterstützt.

Rubrik: Vervollständige die Sätze:

  • Wenn ich an Klassenfahrten denke, dann denke ich an eine Radtour mit Zelten am Bodensee. Offroad, Schnaken, Blasen und trotzdem viel Spass. 
  • Wenn ich an Kolleg*innen denke, dann hatte ich so viel Glück.
  • Wenn ich an meine Fächer denke, dann habe ich viel fachfremd unterrichtet.

BAR

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27. Juli 2022