Temporeiche Inszenierung mit Denkanstößen

25. Januar 2022

Knapp dreihundert Seiten Hermann Hesse, ein Schauspieler, Denkanstöße und jede Menge Effekte: Das waren die Zutaten für eine gelungene Theater-Aufführung an der Helene-Weber-Schule

Jugendliche als Suchende auf dem Weg zu ihrem eigenen Selbst und als Opposition zur bürgerlichen Gesellschaft Gebürstete scheinen bei Hermann Hesse (1877 bis 1962) und ganz besonders bei seinem 1927 erschienen Roamn „Der Steppenwolf“ an der besten Adresse zu sein. Doch der Besuch der geschlossenen, nicht öffentlichen Inszenierung des TheatermobileSpiele aus Karlsruhe war wohl eher dem aktuellen Sternchenthema im Abitur geschuldet als der Erwartung, hier Antwort zu finden auf der Suche nach der eigenen Identität.

Die temporeiche Inszenierung des einzigen Schauspielers Julian König, in jedem Detail großartig gespielt, ermöglichten den Wirtschaftsgymnasiasten neue Zugänge zum Werk und Denkanstöße, die in dieser Konzentration wohl auch der beste Deutschunterricht nicht leisten kann.

Es war keine leichte Aufgabe, die sich der Regisseur Thorsten Kreilos gestellt hatte. Es galt, einen Roman in ein Bühnenstück zu verwandeln. Das erforderte enorme Kürzungen und Akzentuierungen im Text. Dem stand eine beeindruckende bühnentechnische Umsetzung gegenüber.

Das Klassenzimmer verwandelte sich in eine durchgehend weiße Bühne, gebildet durch zwei weiße, zueinander rechtwinklige Wände. Darin agierte ein fast weiß gekleideter, innerlich zerrissener „Steppenwolf“ Harry Haller souverän mit wenig Requisiten.

Diese verwandelte er immer wieder in neue Arrangements: ein graubraunes Fell, ein ausgestopfter Wolfskopf, eine Gelehrtenbrille, ein Blumentopf, ein Rasiermesser, ein Spiegel, ein weißer Treppenabsatz, ein weißer Garderobenständer, ein Bildschirm und ein Buch, das gleich zu Beginn eine Stimme aus dem Off, die Stimme des Vermieters, als die Aufzeichnungen des Steppenwolf kennzeichnete. Eine Stimme, die sich später auf einem Bildschirm als Person materialisierte und mit dem Steppenwolf in einen Dialog trat.

Darüber hinaus wurden der Bildschirm und die Bühnenwände selbst zum Medium, zu Projektionsflächen innerer Bilder und Prozesse des Protagonisten, sozusagen zum „Magischen Theater“, in dem scheinbar verschiedene Akteure des Romans auftraten. 

Durch das wundersame Verwandeln einiger Bühnenwände in Spiegelflächen wurde dieses „Bilderkabinett“, als Bild für die in viele verschiedene Teile aufgespaltene Seele, im Verlauf des Stücks kongenial umgesetzt: „[…] der ganze Riesenspiegel ist voll von lauter Harrys oder Harry-Stückchen […] und alle sind ich.“

Die vorgeschlagene Erlösung aus der inneren Zerrissenheit, de, Hin und Herr von bürgerlicher Angepasstheit und steppenwölfischer Opposition zur Gesellschaft, schien Harry am Ende nur halbwegs zu gelingen: das Lachen über sich selbst blieb ihm nach anfänglichem Erfolg im Hals stecken.

So ganz nebenbei gab es in dieser sehr dichten Inszenierung noch des Öfteren ein wenig Magie, beispielsweise als Harrys Alter Ego Hermine auf dem Bildschirm die bild-Zeitung durchblätterte und diese einen Moment später, wie mit Zauberhand übergeben, realiter in den Händen Harrys befand.

Die Schülerurteile im Nachgespräch mit dem Schauspieler Julian W. König, geleitet von einer Theaterpädagogin, fielen durchweg positiv aus. Beide erläuterten den Schülern die Interpretation der Inszenierung und erwähnten hierbei einzelne Requisiten.

Ganz offenkundig fühlten sich die Schülerinnen unmittelbarer als im Theater durch die räumliche Nähe im Klassenzimmer zum Schauspieler angesprochen und honorierten die Qualität der Inszenierung und die schauspielerische Leistung mit Applaus.

BAR

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25. Januar 2022