Vom Klassenzimmer in den Hörsaal
Statt eine Doppelstunde Mathematik nahm die J2/1 des Wirtschaftsgymnasiums Bad Saulgau die Gelegenheit wahr, einen ganzen Tag an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität zu verbringen. Die Mathematiklehrerin StR’in Schneider hatte die Kontakte geknüpft, den Tag organisiert und die Klasse begleitet. So fanden sich 21 Schüler und Schülerinnen an einem Freitag im November 2013 morgens um 10:00 Uhr im Hörsaal N3 im Hörsaalzentrum der Universität beim Dozenten Herr Dr. Schneider in einem Repetitorium wieder.
Zusammen mit 150 Erstsemestlern ist eine solche Veranstaltung als Begleitung zur eigentlichen Vorlesung gedacht. Ist die Vorlesung noch Pflicht, entscheidet der Student, ob er das Repetitorium besuchen möchte. Darin werden Aufgaben aus der Vorlesung nach-, vor- und mitgerechnet, der Stoff der Vorlesung wird wiederholt. Die Schüler mussten erkennen, dass in zwei Stunden Vorlesungen, was die Begrifflichkeiten anbelangt, so viele behandelt werden, wie im Wirtschaftsgymnasium in einem halben Jahr.
Themen dieses Repetitorium waren beispielhaft:
- Aufspann von Vektoren
- U = Untervektorraum von V
- Erzeugendensystem von R2
- Familie als Liste von Vektoren und als Abbildung
- Abgrenzung zwischen Menge, Familie und Basis
- Basis als linear unabhängiges Erzeugendensystem
- Nachweis der linearen Abhängigkeit und Unabhängigkeit von Vektoren
- Erkenntnis, dass zwei Basen eines V-Raumes die gleiche Anzahl an Elementen haben, d. h. die gleiche Länge haben
- Kern und Bild bei linearen Abbildungen
Im Gegensatz zur modernen technischen Ausstattung des eigenen Klassenzimmers erlebten die Bad Saulgauer Schüler die ursprüngliche „Technik“ im Hörsaal: grüne Tafel und Kreide. In einer Doppelstunde hat Dr. Schneider neun dieser Tafeln beschrieben:
Außerdem wurden sie mit folgenden Zitaten des Mathematikers konfrontiert:
- „Eine Basis ist was ganz Tolles!“
- „Das ist das Tolle an der Mathematik, was Sie einmal bewiesen haben, müssen Sie das nie wieder tun. Sie können es dann ab sofort beliebig anwenden.“
- „Wir wollen ja nicht rechnen. Mathematiker sind faul. Wir wollen sie nur benutzen.“
- „Da ist überhaupt nichts Geheimnisvolles dahinter bei Kern und Bild.“
Dr. Schneider ist gleichzeitig Leiter der Fachbereichsverwaltung. Er stand der Gruppe im Anschluss des Repetitorium nochmals für knapp eine dreivierte Stunde für alle Fragen zur Verfügung. Er begleitete die Gruppe auch in die Mensa zum Mittagessen und lud sie im Namen der Fakultät dazu ein.
Diese exklusive und persönliche Betreuung durch Lehrende und Verantwortliche der mathematischen Fakultät setzte sich am Mittag in zwei vollkommen exklusiven Veranstaltungen einzig für die Schüler und Schülerinnen des WG Bad Saulgau fort: In einem kleineren Unterrichtsraum im Gebäude der Mathematikfakultät lernte die Gruppe Herr Prof. Dr. Loose kennen. Er ist der Studiendekan und Beauftragter für die Fachdidaktik Mathematik. In 60 Minuten brachte er den Mathematikschülern der J2 einen Ausschnitt aus der Geometrie näher: Ebenen, Kurven und Krümmungen. Darin ging es um die Frage, wie man Kurven in einer Ebene beschreiben kann und wie man die Krümmung einer ebenen Kurve bestimmt.
Einige Impressionen vermitteln die Aufschriebe eines Teilnehmers:
Herr Professor Dr. Zerner, seines Zeichens Vorsitzender des Bachelor-/Master-Prüfungsausschusses und Professor für Stochastik führte beispielhaft 60 Minuten in die Zufälligkeiten, die Berechnungen und die Wahrscheinlichkeiten von Münzwürfen ein. Um in das Thema tatsächlich und haptisch einzuführen, spendierte er jedem Teilnehmer ein 5-Cent-Stück, mit dem man 20-mal werfen sollte. So konkret diese Stunde begann, so mathematisch, stochastisch und abstrakt sahen die Tafelaufschriebe schon nach 30 Minuten aus.
Nach diesen zwei zum Teil sehr anspruchsvollen Einheiten, organisierte StR‘in Schneider Kaffee und Tee aus der Fakultätsküche und die Schüler luden sich und die Dozenten ein zu selbergemachten und –mitgebrachten Kuchen.
Der mathematischen Universitätstag ging gegen 17:30 Uhr zu Ende und alle Beteiligten verließen wieder die Universitätsstadt Tübingen, um mit vielen neuen Erkenntnissen und noch viel mehr neuen Eindrücken den Mathematikunterricht am heimischen Wirtschaftsgymnasium in Bad Saulgau fortzusetzen. Auch wenn nicht jeder alles verstanden hat, aber eines ist klar: Der mögliche kommende Ausbildungsabschnitt Hochschule wird spannend, aufregend und lehrreich. Die Grundlagen dazu werden aber in der Oberstufe des Wirtschaftsgymnasiums gelegt. In acht Monaten wissen wir alle, ob das gelungen ist!
Für diesen besonderen Tag, der nicht selbstverständlich war, gebietet sich Dank an die Initiatorin und Organisatorin Frau StR’in Schneider und den beteiligten Dozenten der Universität Tübingen Herrn Prof. Dr. Loose, Herrn Professor Dr. Zerner und Herrn Dr. Schneider. So erstmalig eine solche Veranstaltung und Begegnung war, so erstklassig war sie!
3. Dezember 2013