Zwei junge Stimmen mahnen: Geschichte muss lebendig bleiben
Die Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus in Bad Saulgau mahnt zur Wachsamkeit. Dabei betonen zwei Abiturienten: Die Erinnerung an die Opfer darf nie verblassen.
Eugen Kienzler (Schwäbische Zeitung)

Bad Saulgau „Die Erinnerung an die Euthanasie und den Holocaust ist nicht nur eine Pflicht gegenüber den Opfern. Sie mahnt uns auch, wachsam zu sein, damit sich solches Unrecht nie wiederholt“, war die eindringliche und sehr bewegende Botschaft der beiden angehenden Abiturienten des Wirtschaftsgymnasiums an der Helene-Weber-Schule, Julia Sugg und David Rist, bei der Gedenkstunde an die Opfer des Nationalsozialismus am vergangenen Montagabend in der evangelischen Christuskirche in Bad Saulgau.
„Gerade der aktuell stattfindende Wandel in der Politik weckt in vielen Menschen Sorgen und Ängste. Um dem Vergessen effektiv entgegenwirken zu können, muss Geschichte auch in Zukunft weitergegeben werden – nicht als historische Fußnote, sondern als lebendige Mahnung an die Menschlichkeit.“

Diese Gedenkstunde, zu der die beiden Initiatoren Doris Gaißmaier und Michael Skuppin eingeladen hatten, war Teil der bundesweit an diesem Tag des Erinnerns „80 Jahre Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz“ abgehaltenen Gedenkveranstaltungen. Auch wenn die Gedenkstunde gut besucht war, hätte sie mehr Präsenz der in der Gesellschaft Verantwortlichen verdient gehabt. Doris Gaißmaier erinnerte nicht nur an die Opfer des KZ-Außenlagers in Saulgau, sondern auch an die Mitbürgerinnen und Mitbürger von Saulgau und Umland, die unter der totalitären und menschenverachtenden Staatsgewalt zu leiden hatten.
Beispielhaft nannte sie Otto Haas, Josef Brugger, Anton Rothmund, Stadtpfarrer Dr. Alfons Müller, die jüdischen Mitbürger Alma Lang und Julius Weil und den Hochberger Josef Ruf, der seinen Widerstand sogar mit dem Leben bezahlte.
Wir müssen uns vehement dafür einsetzen, dass der zwischengelagerte Gedenkstein wieder aufgestellt wird, am besten in Bahnhofsnähe.
Die Erinnerung an die Euthanasie und den Holocaust ist nicht nur eine Pflicht gegenüber den Opfern. Sie mahnt uns auch, wachsam zu sein, damit sich solches Unrecht nie wiederholt.
Sie nutzte den Abend auch, um dem im letzten Jahr verstorbenen Saulgauer Georg Metzler, der mit seinem 1996 erschienenen Buch „Geheime Kommandosache“ die Geschichte des KZ-Außenlagers aufgearbeitet hatte und damit diese Zeit und ihre Opfer ins kollektive Gedächtnis der Stadt gebracht hat, zu erinnern.
In diesem Zusammenhang bedauerte sie, dass der damals auf dem ehemaligen Gelände des Lagers gestaltete Gedenkstein abgebaut und bis heute nicht wieder als Teil der Erinnerungskultur aufgestellt wurde. „Wir müssen uns vehement dafür einsetzen, dass der zwischengelagerte Gedenkstein wieder aufgestellt wird, am besten in Bahnhofsnähe, denn dort sind sie alle angekommen, die Gequälten und Gefangenen“, bestärkte Michael Skuppin.
„Denn all diesen großen weltgeschichtlichen Ereignissen wohnt auch ein lokaler Aspekt inne. Diese Dinge geschahen nicht im luftleeren Raum oder im Irgendwo eines Nirgendwo, sie geschahen an Orten, die Namen tragen und sie geschahen mit Menschen, die Namen trugen und sie geschahen nicht anderswo, sondern auch hier. Deswegen ist es wichtig, diesen Aspekt des Hier nicht aus den Augen zu verlieren“.
Dieses „Hier“ wurde auch schmerzlich deutlich bei den Beiträgen von Julia Sugg und David Rist, die aus ihrer Seminararbeit die Rolle der Tötungsanstalt Grafeneck als Testlauf für den systematisch-industriellen Massenmord in den Vernichtungslagern des Holocaust skizzierten. Mit den Schlussgedanken vom langjährigen Diakon Johannes Jann und dem Lied der Theologin und Liedermacherin Sefora Nelson „Lege deine Sorgen nieder“, interpretiert von Matthias Lyding, der die Gedenkstunde musikalisch begleitete, endete diese tiefgreifende Stunde des Erinnerns, die bei den Teilnehmern spürbar Eindruck hinterließ.
30.01.2025, Eugen Kienzler (Schwäbische Zeitung)
3. Februar 2025